„Harry G. war ein Mann, dem man sein Geld blind anvertraute. Der heute 69-jährige G. war in den höchsten Kreisen der Liechtensteiner Gesellschaft zu Hause und konnte einen beachtlichen Lebenslauf vorweisen: eigene Anwaltskanzlei, Treuhandfirmen, Präsident des Verwaltungsgerichts, dann Präsident des Staatsgerichts, daneben Präsident der Prüfungskommission für Treuhänder und Rechtsanwälte und zuletzt Vertreter des Fürstentums in der «Venedig-Kommission» des Europarates.
Mit seiner Karriere und seinem Ehrentitel «Fürstlicher Justizrat» stand G. stellvertretend für Seriosität und Verlässlichkeit des Finanzplatzes Liechtenstein: In Stiftungen und Firmen verwaltete er Millionen von Geldern aus- und inländischer Kunden, er legte die Ersparnisse seiner Freunde und Bekannten an, selbst seine Physiotherapeutin überwies ihm ihre Pensionsvorsorge – im Vertrauen auf eine besonders hohe Verzinsung. Und nun ist alles weg.“
So leitete der Tagesanzeiger letzten Herbst seine Geschichte über Harry Gstöhl ein. (Quelle)
Harry Gstöhl hatte neben seiner jahrzehntelangen Treuhändertätigkeit mit die wichtigsten öffentlichen Ämter Liechtensteins inne:
- Präsident des Verwaltungsgerichtshofes 1982-1992
- Präsident des Staatsgerichtshofes 1992-2004
- Liechtensteins Vertreter der Venedig-Kommission des Europarates 2007-2017
Heute sitzt Harry Gstöhl im Gefängnis. Das bereits rechtskräftige Urteil aus dem Herbst 2017: Schuldig des Betruges, der Geldwäsche und der Untreue; Schaden von 13 Millionen Schweizer Franken, 6 Jahre Gefängnis.
Eine weitere Anklage ist bereits fertig. In den nächsten Wochen wird weiterverhandelt. Wieder geht es um einen Schaden weit im zweistelligen Millionen-Franken-Bereich – die Staatsanwaltschaft geht von 28,5 Mio CHF aus.
Das Liechtensteiner Vaterland schreibt:
«Die Voruntersuchung war sehr arbeitsintensiv. Die Geschädigten sind langjährige Kunden des Angeklagten, für die er Stiftungen, Anstalten, Trusts und andere Gesellschaften verwaltete. Obwohl wir den untersuchten Zeitraum mit 2010 begrenzten war die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen aufwendig und zeitintensiv. Jedes einzelne Faktum ist für sich genommen ein grosser Fall», meint dazu der Leitende Staatsanwalt Robert Wallner. (Quelle)
Der Schaden für das Image des Finanzplatzes ist unermesslich. Wenn Treuhänder – noch dazu engstens mit den Instutitionen verflochtene Treuhänder – untreu werden, schadet das nicht nur der Treuhänderbranche. Nein. Es schädigt das ganze Land.
Wir werden über den Fall Harry Gstöhl weiter berichten